Schöne neue Welt?

Aktuell werden wir Zeuge, wie eine kleine Gruppe egomanischer Oligarchen und Kleptomanen im Begriff ist, sich die USA unter den Nagel zu reißen. Damit wird der (Klassen-)Krieg, den Warren Buffet bereits 2006 beiläufig und ohne großes Aufsehen konstatierte amtlich: Was derzeit in den USA passiert, ist nichts anderes als ein Staatsstreich und damit nicht weniger als eine Kriegserklärung der mächtigsten, weil reichsten Vertreter des Kapitals an den Rest der Welt. Das impliziert zugleich, dass alle demokratischen Spielregeln, die bedingungslos hochzuhalten wir gelernt haben, keine Gültigkeit mehr haben …

Das Jahrhundert der Psychopathen

Fragt man nach Psychopathen in der Politik des vergangenen Jahrhunderts – es fallen einem schon so einige ein: Hitler, Stalin, Moussolini, um nur die herausragendsten zu nennen. Eigentlich dachten wir, dass es das dann aber auch war, abgesehen von einigen kleinen Juntachefs in Südamerika, Asien und Afrika. Und dann kriechen sie auf einmal doch wieder aus ihren Löchern – in den wirtschaftlichen und politischen Zentren der modernen Welt: in Amerika, in Russland, in China – aber auch hier in Europa, mitten unter uns: neben Putin, Trump, Musk und Xi Jinping auch: Orban, Kaczyński, Erdogan. Hitler war also kein Unfall der Geschichte! Aber dann können wir froh sein, weil diesmal kein Deutscher darunter ist? Irrtum – die stehen in den Startlöchern und platzieren mehr und mehr ihrer Inhalte im Diskurs!

Pecunia non olet


„Pecunia non olet“ gilt allenfalls für Menschen mit chronischem Schnupfen. Wie sonst sollte man sie nicht wahrnehmen können: das Blut, den Schweiß und die Tränen der Millionen von Sklaven, Leibeigenen, Tagelöhnern, Lohnsklaven, Zwangsarbeitern und all den Menschen in prekären, nicht-privilegierten Verhältnissen. Und vergessen wir nicht die zig Millionen Ausgebeuteten der industriellen Revolution oder der heutigen Peripherie – ganz zu schweigen von den Menschen, insbesondere den indigenen, die wir auch heute noch hemmungslos ausplündern. Ihnen allen verdanken wir unseren Wohlstand, einen Großteil unserer im Laufe von Jahrhunderten zusammengerafften Vermögen! Unser eigener Beitrag, die schöpferische Kraft unserer vermeintlichen Genies ist demgegenüber marginal.

In diesem unseren Reichtum schlägt sich indes nicht nur die Enteignung der natürlichen Ressourcen nieder, in ihm kondensiert auch die Schädigung und nicht selten auch Zerstörung unserer Umwelt – das höchste aller Güter!

Mit Nazis reden?

Wie kann man Menschen, die unbehelligt in einer SS-Uniform daherstolzieren und der Wehrmacht und der Waffen-SS gedenken, angemessen begegnen – ganz gleich, wo auf dieser Welt? Versuchen, mit ihnen zu reden? Auf sie zugehen – so, wie die SS auf die Gegner der Nazi-Diktatur. Wäre das angemessen? Vielleicht – aber Moment, die SS wollte ja gar nicht reden! – Eben …

Die schweigende Mitte der Gesellschaft

Jene Mitte der Gesellschaft, jene schweigende Mehrheit, die Aiwanger und Söder jüngst in Erding beschworen haben – das ist eben jene Mehrheit, die vor rund 90 Jahren bis zuletzt die Stütze des Nazi-Regimes war und dann angeblich von nichts wusste. Zugegeben – die bayrischen Spitzenpolitiker sind keine Nazis – nein – sie sind ihre Erben und gehen den kommenden voraus, sind ihre Steigbügelhalter. Am Ende dann heißt es: Das haben wir nicht gewollt – aber das will man ihnen dann auch nicht mehr glauben!

Widergänger der bürgerlichen Parteien

Faschistische und bürgerliche Parteien sind sich näher als letztere zuzugestehen bereit sind, denn beide bedienen seit jeher die gleichen Ängste, werden von den gleichen Interessen instrumentalisiert. Und weil die bürgerlichen Parteien diese Nähe beständig ignorieren, eher noch kleingeredet haben, weil sie nach dem Krieg zu keinem radikalen Schnitt bereit waren, weder ideologisch noch personell, weil sie nie Verantwortung übernommen haben für das, was sie in den 1920er Jahren möglich gemacht haben, bleibt der Faschismus der unsichtbare Widergänger der Bürgerlichen, stets bereit, erneut aus ihrem Schatten zu treten.

Grenzen des Sagbaren

Indem wir die Grenzen des Sagbaren verschieben, verschieben wir auch die Grenzen des Machbaren. Wer das Ressentiment gegen welche Minderheiten auch immer predigt, ist unmittelbar auch mitverantwortlich für Taten wie die in Christchurch, Halle oder in Hanau. Und darum spielt es auch kaum eine Rolle, ob die Tat von einer einzelnen Person oder einer Gruppe geplant und ausgeführt wurde, es spielt auch keine Rolle, in welcher psychischen Verfassung der oder die Täter waren – es handelt sich ein ums andere Mal um Manifestationen eines latenten Faschismus, der – nie ganz besiegt – überall dort um sich greift, wo Orientierungslosigkeit in Hass umschlägt.

Um so wichtiger ist es, all den Propagandisten des Ressentiments das Wort zu entziehen und sie aus dem Diskurs zu drängen. Der demokratische Diskurs ist grundsätzlich ein offener Diskurs, an seinen Rändern kann viel gesagt werden, was mit seinen Werten längst nicht mehr übereinstimmt. Aber es gibt eben auch manches, was man schlicht nicht sagen darf …

Geschichtsklitterung

Wer künftig die NS-Vernichtungslager auf polnischem Boden als „polnische Todeslager“ bezeichnet, riskiert eine dreijährige Haftstrafe. Den Vorwurf der Geschichtsklitterung liegt nahe, doch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki weist ihn entschieden zurück. Und natürlich waren diese Lager auf polnischem Boden keine polnischen Lager. Es waren die Vernichtungslager des NS-Staates, geplant, verwaltet und befehligt von deutschen Nazis – insofern also waren sie unzweifelhaft deutsche Vernichtungslager. Aber dann verrät Morawiecki sich doch, wenn er twittert: „Jews, Poles, and all victims should be guardians of the memory of all who were murdered by German Nazis.“ Genau da scheint sie durch, die Geschichtsverfälschung, die Polen von israelischer Seite vorgehalten wird. Es waren deutsche Lager – aber es waren Nazis unterschiedlichster Nationalitäten, die in den Lagern gemordet haben – und es waren Menschen unterschiedlichster Herkunft, die die Juden und politisch Verfolgten denunziert und an die SS ausgeliefert haben. Fast möchte man dies als sprachliche Ungenauigkeit durchgehen lassen – immerhin betont er in seinem Tweet die teuflische Rolle der Ideologie. Aber kann man ihm das wirklich abnehmen – angesichts der zutiefst konservativen und nationalistischen Wende in der polnischen Politik, die alles andere als entsetzt ist über all die Nazis, die da wieder aus ihren Löchern kriechen und all der Fackeln und Fahnen zum Trotz eben kein „schöner Anblick“ sind …

Noch einmal: Mitte der Gesellschaft

Was meint eigentlich Mitte der Gesellschaft? Wo – bitte – soll das sein? Anders: Wer definiert diesen Ort? Nur so viel: um so mehr Menschen den rechten Bauernfängern erliegen, um so weiter driftet auch die Mitte nach rechts. So lag diese Mitte spätesten Ende der 30er Jahre irgendwo im Spektrum der NSDAP. Wenn Politiker aber den Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus, gegen all diese braunen Parolen Ernst meinen, dann müssen sie sich auf demokratische und soziale Werte beziehen. Wer allzu sehr nur auf die Mitte, diesen Nichtort fixiert bleibt, versinkt am Ende noch im braunen Sumpf.