Nur zeitweise systemrelevant

Das Pech der Bootsflüchtlinge, die inzwischen vermutlich zu tausenden Opfer der expliziten Abschreckungspolitik der EU geworden sind (und vermutlich auch noch werden), ist, dass sie nicht systemrelevant sind – die Kosten humanitärer Einsätze an sich können es nämlich nicht sein, sind die doch Peanuts im Vergleich zu den Beträgen, die unsere Politiker uns die Rettung der Banken ohne zu zögern haben kosten lassen. Jedenfalls sind diese Menschen nicht mehr systemrelevant, wenn sie in Richtung Festung Europa aufgebrochen sind. Systemrelevant sind sie allenfalls, solange sie sich noch in ihren Heimatländern befinden: beispielsweise als Anwender oder Opfer unserer hochentwickelten Waffentechnik, als Konsument unserer hochsubventionierten landwirtschaftlichen Erzeugnisse oder schlicht als Tagelöhner bei der Gewinnung billiger Rohstoffe.

Dass zahlreiche Politiker sich noch unlängst erdreistet haben, humanitäre Hilfen auf dem Mittelmeer zu verweigern, weil diese die Menschen in Afrika doch nur ermuntern könne, sich auf den gefahrvollen Weg nach Europa zu machen, klang im ersten Moment vor allem zynisch – bei rechtem Licht betrachtet scheint aber auch schon der Vorwurf unterlassener Hilfeleistung nicht mehr zu treffen, denn es ist Vorsatz im Spiel.

Christlich-soziale Willkommenskultur

Wer auch immer – wie beispielsweise Monika Hohlmeier (CSU) – die EU-Mission Triton als angemessene Fortsetzung des italienischen Programms Mare Nostrum schönredet und Mittel für eine effektive Rettung in Seenot geratener Bootsflüchtlinge verweigert, weil man damit nur weitere Menschen aus den Krisengebieten dieser Erde ermutige, macht sich mindestens der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Auf den zweiten Blick aber erfüllt es wohl doch den Tatbestand der eher vorsätzlichen denn fahrlässigen Körperverletzung – die billigende Inkaufnahme hundertfachen Todes eingeschlossen. Eine wahrlich christliche und ebenso furchteinflößende Willkommenskultur – man mag sich gar nicht ausmalen, was diese gläubigen Menschen dir antun, wenn du nicht willkommen bist!

Neoliberale Emphatie

Kansas macht vor, was Neoliberale unter sozialer Verantwortung verstehen – die schlichte und zeitlich eng begrenzte Sicherung der nakten Existenz – ohne jeden Tand und scheinbaren Luxus (siehe Telepolis). Von der Hilfe für bedürftige Familien (TANF) dürfen künftig keinerlei Genussmittel (Tabak, Alkohol etc.) und Vergnügungen (Sportveranstaltungen, Kultur u.ä.) mehr bezahlt werden. Im ersten Moment ist man sprachlos, aber es ist konsequent – wenn das wirtschaftliche Wachstum die Gier der selbsternannten Eliten nicht mehr zu befriedigen vermag, muss man halt dafür Sorge tragen, dass nicht mehr so viel Geld in den unteren sozialen Schichten versickert. Und dann versteht man auch, warum in Kansas der Waffenbesitz weiter liberalisiert wurde: Bei den Opfern der ungezählten Schusswaffen handelt es sich überwiegend um sozial Benachteiligte – und es gilt offensichtlich, aber unausgesprochen die Devise: Nur ein toter Bedürftiger ist ein guter Bedürftiger .