Mediale Inszenierung

Natürlich ist das Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt ein tragisches Ereignis – so, wie alle Ereignisse tragisch sind, bei denen Menschen zu Schaden kommen, gar ihr Leben verlieren. Dieses Ereignis hat aber noch etwas zu Tage gefördert: Es gibt tragische Ereignisse, die geschehen fast unbemerkt und hinterlassen kaum oder gar keine Spuren – und es gibt solche, die zu einer Tragödie werden, weil sich die Medien ihrer bemächtigen und zu einer würdelosen Inszenierung machen. Kaum geschehen, schon feuerten die Medien auf (fast) allen Kanälen und verbreiteten eigentlich nur eines: Es gab Opfer – mehr weiß man aber eigentlich nicht. Und dieses Nichtwissen wurden stundenlang ausgebreitet, von immer neuen „Fachleuten“ bestätigt und wieder und wieder durchbuchstabiert! Und eben so wurde aus einer Nachricht eine – zutiefst unangemessene – Inszenierung. Eine Inszenierung, die in gewissem Sinne gar die Opfer all der anderen – ungehörten – tragischen Ereignisse verhöhnt! Zugleich haben wir einmal mehr das Gefühl, in höchst unsicheren Zeiten zu leben – geradezu „kontrafaktisch“, wie der Philosoph Michel Serres in seinem jüngsten Buch zu zeigen versucht!

Geschichtsklitterung

Wer künftig die NS-Vernichtungslager auf polnischem Boden als „polnische Todeslager“ bezeichnet, riskiert eine dreijährige Haftstrafe. Den Vorwurf der Geschichtsklitterung liegt nahe, doch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki weist ihn entschieden zurück. Und natürlich waren diese Lager auf polnischem Boden keine polnischen Lager. Es waren die Vernichtungslager des NS-Staates, geplant, verwaltet und befehligt von deutschen Nazis – insofern also waren sie unzweifelhaft deutsche Vernichtungslager. Aber dann verrät Morawiecki sich doch, wenn er twittert: „Jews, Poles, and all victims should be guardians of the memory of all who were murdered by German Nazis.“ Genau da scheint sie durch, die Geschichtsverfälschung, die Polen von israelischer Seite vorgehalten wird. Es waren deutsche Lager – aber es waren Nazis unterschiedlichster Nationalitäten, die in den Lagern gemordet haben – und es waren Menschen unterschiedlichster Herkunft, die die Juden und politisch Verfolgten denunziert und an die SS ausgeliefert haben. Fast möchte man dies als sprachliche Ungenauigkeit durchgehen lassen – immerhin betont er in seinem Tweet die teuflische Rolle der Ideologie. Aber kann man ihm das wirklich abnehmen – angesichts der zutiefst konservativen und nationalistischen Wende in der polnischen Politik, die alles andere als entsetzt ist über all die Nazis, die da wieder aus ihren Löchern kriechen und all der Fackeln und Fahnen zum Trotz eben kein „schöner Anblick“ sind …