L’État, c’est moi!

Von der FAZ auf die Kleine Anfrage zur Finanzierung der NGOs angesprochen, hat Merz es tatsächlich fertiggebracht, den sogenannten Nichtregierungsorganisationen in der FAZ vorzuwerfen, dass diese gegen das Neutralitätsverbot verstießen, wenn sie sich von der Regierung finanziell fördern ließen, aber gegen diese Stellung bezögen, gar demonstrierten. Diese Argumentation muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! So ganz beiläufig sagt sie viel über das autokratische Politik- und Demokratieverständnis eines Friedrich Merz aus: Ein bisschen mehr Trump wagen – oder lieber gleich zum absolutistischen Herrscher krönen lassen?

Das Kreuz mit den Hufeisen


Es ist erschreckend, wie Journalisten nahezu aller Medien Linke und AfD in einem Atemzug nennen. Im Hufeisen, dem klassischen Narrativ zur Beschreibung politischer Strömungen jenseits der „Mitte“, kondensiert die Essenz des bürgerlichen Klassenbewusstseins: Bei allen Gräueln des Faschismus immer daran zu erinnern, dass der Feind der Kommunismus ist und diese Tatsache selbst dann gebetsmühlenartig zu wiederholen, wenn der Faschismus längst wieder Hand an die Demokratie legt! Dieses Narrativ ist – so harmlos und plausibel es auch klingen mag – der Hebel der Faschisten im Denken der Bürgerlichen, um mit ihrer Hilfe die Demokratie und damit die Freiheit zu beerdigen. Das ist schon einmal gelungen, als 1933 die Kommunisten verboten und damit die Linke soweit geschwächt wurde, dass die Bürgerlichen kaum mehr als wehrlose Zombies waren, die sich mehrheitlich vor dem dann folgenden Terror weggeduckt haben und 1945 ganz echauffiert beteuerten, dass habe ja keiner wissen können!

Das Jahrhundert der Psychopathen

Fragt man nach Psychopathen in der Politik des vergangenen Jahrhunderts – es fallen einem schon so einige ein: Hitler, Stalin, Moussolini, um nur die herausragendsten zu nennen. Eigentlich dachten wir, dass es das dann aber auch war, abgesehen von einigen kleinen Juntachefs in Südamerika, Asien und Afrika. Und dann kriechen sie auf einmal doch wieder aus ihren Löchern – in den wirtschaftlichen und politischen Zentren der modernen Welt: in Amerika, in Russland, in China – aber auch hier in Europa, mitten unter uns: neben Putin, Trump, Musk und Xi Jinping auch: Orban, Kaczyński, Erdogan. Hitler war also kein Unfall der Geschichte! Aber dann können wir froh sein, weil diesmal kein Deutscher darunter ist? Irrtum – die stehen in den Startlöchern und platzieren mehr und mehr ihrer Inhalte im Diskurs!

Die schweigende Mitte der Gesellschaft

Jene Mitte der Gesellschaft, jene schweigende Mehrheit, die Aiwanger und Söder jüngst in Erding beschworen haben – das ist eben jene Mehrheit, die vor rund 90 Jahren bis zuletzt die Stütze des Nazi-Regimes war und dann angeblich von nichts wusste. Zugegeben – die bayrischen Spitzenpolitiker sind keine Nazis – nein – sie sind ihre Erben und gehen den kommenden voraus, sind ihre Steigbügelhalter. Am Ende dann heißt es: Das haben wir nicht gewollt – aber das will man ihnen dann auch nicht mehr glauben!

Gendern vs. Freiheit?

Ein beliebter Einwand der Gegner(Innen) des Genderns ist der Verweis auf einen von einer imaginären Elite oder Institution aufoktruierten Zwang, der der Sprache, der dem individuellen Sprachgefühl Gewalt antue. Einmal mehr muss vordergründig die Freiheit herhalten, um Reflektion und Innovation zu maßregeln. Dieses Manöver ist so einfältig wie durchschaubar: Als obläge die Adaption sprachlicher Strukturen unserer freien Entscheidung, als sei das Denken voraussetzungslos und einzig Ausdruck eines freien Willens! Spätestens seit Whorf wissen wir um um den Zusammenhang von Sprache, Denken und Wirklichkeit. Wir werden in eine Sprache hineingeboren und adaptieren sie zunächst unreflektiert. Dass es dabei nicht bleibt, dass eine neue Wirklichkeit möglich wird, darum ringen all jene, die sich an den Potenzialen des Genderns abarbeiten.

Grenzen des Sagbaren

Indem wir die Grenzen des Sagbaren verschieben, verschieben wir auch die Grenzen des Machbaren. Wer das Ressentiment gegen welche Minderheiten auch immer predigt, ist unmittelbar auch mitverantwortlich für Taten wie die in Christchurch, Halle oder in Hanau. Und darum spielt es auch kaum eine Rolle, ob die Tat von einer einzelnen Person oder einer Gruppe geplant und ausgeführt wurde, es spielt auch keine Rolle, in welcher psychischen Verfassung der oder die Täter waren – es handelt sich ein ums andere Mal um Manifestationen eines latenten Faschismus, der – nie ganz besiegt – überall dort um sich greift, wo Orientierungslosigkeit in Hass umschlägt.

Um so wichtiger ist es, all den Propagandisten des Ressentiments das Wort zu entziehen und sie aus dem Diskurs zu drängen. Der demokratische Diskurs ist grundsätzlich ein offener Diskurs, an seinen Rändern kann viel gesagt werden, was mit seinen Werten längst nicht mehr übereinstimmt. Aber es gibt eben auch manches, was man schlicht nicht sagen darf …