Christian Lindners abfällige Bemerkung, die streikenden Schüler könnten ja noch nicht alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen, Maßnahmen gegen den Klimawandel seien daher eine Sache für Profis, offenbart ein jede Vorstellungskraft übersteigendes Maß an Ignoranz. Kennen wir die Probleme denn erst seit gestern? Der Bericht des Club of Rome liegt nunmehr 47 (!) Jahre zurück, knapp zehn Jahre später wurde er noch einmal seitens der US-Regierung bestätigt (Global 2000) – die Experten jedenfalls waren sich schon damals einig. Und die Profis? Nun, die hatten ihre Chance und wussten sie nicht zu nutzen, im Gegentei! Nun aber wird die Zeit knapp – zu knapp, um noch länger auf diese Profis zu warten …
Archiv des Autors: Wolf
Denn wir wissen, was wir tun
Früher konnten sich die Menschen damit herausreden, sie hätten um die langfristigen Folgen ihres Tuns nicht gewusst, nicht wissen können. Heute aber, spätestens seit dem ersten Bericht des Club of Rome, können wir uns nicht mehr darauf zurückziehen, in bester Absicht oder auch einfach nur zweckrational gehandelt zu haben. Heute sind wir nicht nur verantwortlich, sondern vor allem auch schuldig. Bisher allerdings noch in dem Wissen, dass uns niemand zur Rechenschaft ziehen wird – aber das wird sich ändern.
Entschädigung statt Verantwortung?
Die Politik, aktuell in Person von Rainer Haseloff, will uns – ganz im Interesse der Energiekonzerne – Glauben machen, dass bei einem vorzeitigen Abschalten der Kohlekraftwerke Entschädigungszahlungen fällig würden?1 Auf welcher Grundlage? Die Konzerne betreiben seit Generationen Raubbau an unseren Lebensgrundlagen – woraus sollte sich der vermeindliche Anspruch auf Kompensation herleiten? Weil Kapital, das in die Fortsetzung dieses Raubbaus investiert wurden, nicht mehr die erhoffte Rendite erwirtschaftet – vielleicht in Gänze abgeschrieben werden muss? Ein höchst zweifelhaftes Verständis von unternehmerischem Risiko.
Die Gesellschaft jedenfalls schuldet den Konzernen nichts, ganz gleich, was irgendwelche Politiker ihnen versprochen haben. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: die Gesellschaft, vor allem die künftigen Generationen haben da noch eine Rechnung offen: mit den Shareholdern und den Politikern, die den Klimaschutz seit mindestens zwei Jahrzehnten verschlafen haben und alles gemacht haben, damit jene ihre Schäfchen ins Trockene bringen konnten und auch weiterhin können. Sie alle sollten sich glücklich schätzen, wenn man sie dereinst nicht zur Kasse bittet oder gar zur Verantwortung zieht.
1 https://www.sueddeutsche.de/politik/kohlegipfel-im-kanzleramt-bund-sagt-kohlelaendern-langfristige-hilfen-zu-1.4289775
Jauchegrube der politischen Voreingenommenheit
Im vergangenen Sommer also haben die USA die „Jauchegrube der politischen Voreingenommenheit“, auch bekannt als UN-Menschenrechtsrat, verlassen. Ganz irritiert möchte man diese Nachricht zunächst begrüßen, weil damit ein Mitglied den Rat verlassen hat, das weltweit in den letzten 40 Jahren für die größten Gräuel in dieser Grube (mit-)verantwortlich ist, und das Gremium nun vielleicht endlich eine Chance hat, seine Aufgabe auch zu erfüllen. Schaut man sich den Rest dieser illustren Runde an, muss man allerdings schlicht zur Kenntnis nehmen, dass dieser Wunsch sich nicht erfüllen wird.
Nikki Haley wird der FR zufolge übrigens mit den Worten zitiert, man wolle nicht mehr Teil einer „heuchlerischen und eigennützigen Organisation“ sein, die „die Menschenrechte zum Gespött machen“. Man müsste diese Argumentation für einen missglückten Scherz der US-Botschafterin halten, wäre sie nicht so unsäglich zynisch – zynisch deshalb, weil dies die verbale Duftmarke einer Nation ist, die – als ein Beispiel unter vielen – mit gefaketen Beweisen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen ein Land geführt hat, das einzig aufgrund seiner Ölreserven zum Objekt der Begierde geraten ist. So einfach jedenfalls wird man den eigenen Gestank nicht los.
Veruntreuung im Amt
Sollte Puigdemont wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder an die spanische Justiz ausgeliefert werden, könnte man diesem Schritt zumindest innenpolitisch sogar etwas Positives abgewinnen. Sollten Politiker tatsächlich für finanzielle Folgen, die unmittelbar aus ihren Amtsgeschäften resultieren, zur Verantwortung gezogen werden können, wird die Luft für viele deutsche Politiker in Bund und Ländern dünn. Man denke nur an die HSH Nordbank, den Berliner Flughafen, Stuttgart 21, die Elbphilharmonie, die Bayern LB, den Dieselskandal – die Liste lässt sich schier endlos fortsetzen. Vor dem Hintergrund, dass demokratische Prinzipien gegenwärtig mehr und mehr zugunsten autokratischer Strukturen in Frage gestellt werden, wäre eine solche richterliche Entscheidung selbstverständlich ein katastrophales Signal. Hinsichtlich der persönlichen Verantwortung für politische Entscheidungen könnten die deutschen Gerichte so aber ganz neue Maßstäbe setzen.
Exzellenzpartner
Der Präsident der TU München verkündet stolz den Abschluss eines Rahmenvertrages mit dem neuen Exzellenzpartner Google, der finanzielle Mittel in Millionenhöhe verspricht. Und viele werden sich von dieser Geste blenden lassen, beeindruckt von den untadeligen Absichten eines Weltkonzerns, der den Forschungsstandort München an seinen wirtschaftlichen Erfolgen teilhaben lässt. Dabei vergisst man gerne, dass Google zu eben jenen Konzernen gehört, die Steuern für ein Instrument unrechtmäßiger staatlicher Bereicherung halten und diese darum konsequent und erfolgreich vermeiden, so dass sie nicht einmal angemessen an den Kosten etwa für Infrastruktur und Bildung partizipieren, die doch eigentlich Bedingung ihres wirtschaftlichen Erfolges sind. Das aber kann sich eine Gesellschaft nicht wirklich leisten! Wann endlich werden wir Unternehmen angemessen an der Finanzierung des Staatshaushaltes beteiligen, so dass wir unsere Universitäten wieder hinreichend selbst finanzieren und diese ihren Partnern endlich auch wieder auf Augenhöhe begegnen können. Übrigens: dann erst wird die Forschung auch nicht mehr im Verdacht stehen, in erster Linie doch nur die Interessen der Konzerne zu bedienen.
Mediale Inszenierung
Natürlich ist das Attentat auf dem Berliner Weihnachtsmarkt ein tragisches Ereignis – so, wie alle Ereignisse tragisch sind, bei denen Menschen zu Schaden kommen, gar ihr Leben verlieren. Dieses Ereignis hat aber noch etwas zu Tage gefördert: Es gibt tragische Ereignisse, die geschehen fast unbemerkt und hinterlassen kaum oder gar keine Spuren – und es gibt solche, die zu einer Tragödie werden, weil sich die Medien ihrer bemächtigen und zu einer würdelosen Inszenierung machen. Kaum geschehen, schon feuerten die Medien auf (fast) allen Kanälen und verbreiteten eigentlich nur eines: Es gab Opfer – mehr weiß man aber eigentlich nicht. Und dieses Nichtwissen wurden stundenlang ausgebreitet, von immer neuen „Fachleuten“ bestätigt und wieder und wieder durchbuchstabiert! Und eben so wurde aus einer Nachricht eine – zutiefst unangemessene – Inszenierung. Eine Inszenierung, die in gewissem Sinne gar die Opfer all der anderen – ungehörten – tragischen Ereignisse verhöhnt! Zugleich haben wir einmal mehr das Gefühl, in höchst unsicheren Zeiten zu leben – geradezu „kontrafaktisch“, wie der Philosoph Michel Serres in seinem jüngsten Buch zu zeigen versucht!
Geschichtsklitterung
Wer künftig die NS-Vernichtungslager auf polnischem Boden als „polnische Todeslager“ bezeichnet, riskiert eine dreijährige Haftstrafe. Den Vorwurf der Geschichtsklitterung liegt nahe, doch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki weist ihn entschieden zurück. Und natürlich waren diese Lager auf polnischem Boden keine polnischen Lager. Es waren die Vernichtungslager des NS-Staates, geplant, verwaltet und befehligt von deutschen Nazis – insofern also waren sie unzweifelhaft deutsche Vernichtungslager. Aber dann verrät Morawiecki sich doch, wenn er twittert: „Jews, Poles, and all victims should be guardians of the memory of all who were murdered by German Nazis.“ Genau da scheint sie durch, die Geschichtsverfälschung, die Polen von israelischer Seite vorgehalten wird. Es waren deutsche Lager – aber es waren Nazis unterschiedlichster Nationalitäten, die in den Lagern gemordet haben – und es waren Menschen unterschiedlichster Herkunft, die die Juden und politisch Verfolgten denunziert und an die SS ausgeliefert haben. Fast möchte man dies als sprachliche Ungenauigkeit durchgehen lassen – immerhin betont er in seinem Tweet die teuflische Rolle der Ideologie. Aber kann man ihm das wirklich abnehmen – angesichts der zutiefst konservativen und nationalistischen Wende in der polnischen Politik, die alles andere als entsetzt ist über all die Nazis, die da wieder aus ihren Löchern kriechen und all der Fackeln und Fahnen zum Trotz eben kein „schöner Anblick“ sind …
Fake News? Es geht auch anders!
Es bedarf keiner groß angelegten Kampagne mit sog. gefaketen Informationen, um eine Wahl zu manipulieren, ein paar Halbwahrheiten reichen allemal. Z. B. die Kampagne der CDU in NRW, die die Verkehrspolitik der Landesregierung unmittelbar für die Staus im Lande verantwortlich macht. Davon ist eigentlich fast jeder Bürger im Ruhrgebiet betroffen und auch Merkel durfte sich zuletzt seiner uneingeschränkten Zustimmung sicher sein – solange niemand nach den Ursachen und den dafür Verantwortlichen fragt. Und wenn doch? Auf einer Fläche halb so groß wie Bayern drängen sich 20 Prozent aller bundesdeutschen PKW. Während sich die Zeit, die wir im Bundesdurchschnitt in einem Stau verbringen, in den letzten Jahren jedoch vervierfacht hat, liegt dieser Wert in der Rhein-Ruhr-Region nur beim Dreifachen. Das könnte man also auch als Erfolg der nordrheinwestfälischen Verkehrspolitik verbuchen, wenn es denn um die Sache ginge. Ach ja: Und wem verdanken wir die Tatsache, dass ein immer größerer Anteil des Güter-, aber auch des Personenfernverkehrs auf die Straße verlagert wird? Die Bundespolitik, namentlich Verkehrsminister Dobrindt, lässt grüßen! Dabei dürfen wir sicher sein, dass die Ökobilanz der LKWs denkbar schlecht ist, berücksichtigt man auch die externen Kosten vom Flächenverbrauch über die Feinstaubbelastung bis hin zu – genau – den Staus.
Fake News
Seit der amerikanischen Präsidentschaftswahl dominiert ein neues Phänomen den politischen Diskurs, das geeignet zu sein scheint, die Demokratie in ihren Grundfesten zu erschüttern, zumindest aber den aufrechten Demokraten den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben: die Fake News. Die Vehemenz des aktuellen Aufschreis, der sich durch alle Medien fortpflanzt, suggeriert, dass die Instrumentalisierung von Falschmeldungen im Wahlkampf, ja in der Politik ganz allgemein eine Erfindung der letzten ein, zwei Jahre sei. Was aber bitte soll an Falschmeldungen und ihrer Instrumentalisierung eigentlich neu sein? Als wären unseren Politikern, aber auch den Medien bisher nur Wahrheiten über die Lippen gekommen. Und als wäre die Verbreitung von Lügen der einzige Weg, um den Prozess demokratischer Meinungs- und Willensbildung zu manipulieren. Wenn dem so wäre, wozu dienen dann all die konservativen Think Tanks – nicht nur – in den USA, wo Strategien und Kampagnen entwickelt werden, die die öffentliche Meinung ganz im Interesse der wirtschaftlichen und politischen Eliten beeinflussen sollen und die auch schon mal eine Rufmord-Kampagne gegen Klimaforscher lostreten. Oder die Geheimdienste: Welche Aufgabe hatten denn die zahlreichen deutschen Journalisten im Dienste beispielsweise der CIA? Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen und all diese Beispiele unterscheiden sich nur durch eines: Früher nannte man das schlicht Propaganda.