Vielleicht auch als Gegenbewegung zur Globalisierung und der langen Geschichte der Diskriminierung zugleich lässt sich die Tendenz beobachten, identitätsstiftenden Merkmalen eine herausragende Bedeutung zu verleihen oder zurückzugeben. Man mag das auch als neues Selbstbewusstsein deuten, als Schritt, der aus einem ausschließenden Merkmal ein auszeichnendes macht. Doch man darf nie vergessen, dass diese Sichtweise impliziert, dass das einstmals Trennende als eben solches festgeschrieben wird, nur mit neuem Vorzeichen. Und dann verstetigt es nur, was es überwinden soll: die Diskriminierung.
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Identitätspolitik
Die polemische Herabsetzung einer koreanischen Boygroup durch einen Radiomoderator rief einen Shitstorm hervor, in dessen Folge sich der Sender entschuldigte: „Wenn Aussagen von vielen Menschen als beleidigend und rassistisch empfunden werden, dann waren sie es auch.„1 Größeren Unsinn kann man kaum von sich geben! Die Erde wird nicht dadurch flacher, dass es viele behaupten und ein Mord bleibt auch dann ein Mord, wenn eine fanatische Masse ihn begrüßt. Nun, man mag einwenden, dass dies auf Fragen des Glaubens, des Geschmacks und der kulturellen Identität nicht einfach übertragbar ist. Doch das ist falsch! Natürlich: Eine Herabwürdigung aus Gründen der Zugehörigkeit zu ethnischen, kulturellen oder religiösen Gruppen ist – ganz gleich ob Minderheit oder Mehrheit – indiskutabel, jedem Versuch ist entschieden zu begegnen. Damit aber sind in einer Welt der Vielfalt selbst Angehörige von Minderheiten nicht automatisch einer möglichen Kritik entzogen, nicht einmal einer polemischen! Zweifelhafte Ausdünstungen der Kulturindustrie bleiben zweifelhaft, ganz gleich, wer für sie verantwortlich zeichnet – und selbst autoritäts- und identitätsstiftende Symbole bleiben angreifbar und mögliches Ziel für Hohn und Spott, ganz gleich, wie viele oder wenige ihnen huldigen! Das ist der Kern der Aufklärung, den kein Shitstorm in Frage stellen kann!
1Zitiert nach Jochen Bittner, Dein Mitbürger, der Unterdrücker; in: Die Zeit Nr. 11/2021, 11.03.2021
https://www.zeit.de/2021/11/identitaetspolitik-rassismus-soziale-gerechtigkeit-intersektionalitaet; siehe auch Zotero